Pfefferminzia: Interview mit den AMC-Geschäftsführern „Vom Kunden denken gelingt der Branche nur in Einzelfällen“
13.06.2019
Seit 1994 treffen sich Experten aus Marketing und Vertrieb der Assekuranz zweimal im Jahr bei den AMC-Meetings. Im Mai 2019 feierte der AMC sein 25-jähriges Bestehen. Wir sprachen mit den Geschäftsführern Frank Kersten und Stefan Raake über Highlights der vergangenen Jahre und aktuelle Baustellen der Branche.
Pfefferminzia: 25 Jahre gibt es den AMC nun schon – welche Ereignisse sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Stefan Raake: Mit meinem Einstieg beim AMC und ins Berufsleben nach meinem Studium Anfang 1995 hatte ich das Glück, mit innovativen Menschen beim AMC zusammenzuarbeiten. Als im Herbst 1995 Domains reserviert werden konnten, hat der damalige AMC-Geschäftsführer ordentlich investiert. Versicherungen.de, Finanzen.de und weitere 40 Domains wurden gesichert – bei Kosten von 500 Mark pro Domain und Jahr. Keiner wusste, ob sich das lohnen würde. Wir sind dann mit Versicherungen.de im Februar 1996 online gegangen und hatten so die erste und lange Zeit einzige Plattform der Branche für Versicherungsinformationen und Angebotsanfragen. Damals gab es nur eine Handvoll Finanzdienstleister im Netz. Viele der bald schon über 30 Versicherer auf der Plattform nutzten Versicherungen.de als Einstieg in die Online-Welt. Das war für mich als Berufseinsteiger schon ziemlich cool, das mitzugestalten.
Frank Kersten: Nach meiner Promotion 1996 hatte ich zufällig den damaligen AMC-Geschäftsführer Gerhard May wieder getroffen, den ich sehr viel früher während eines Praktikums bei der LVM als Abteilungsleiter kennen gelernt hatte. Als frisch gebackener Familienvater war ich damals auf der Suche nach einer spannenden Tätigkeit. Der Schritt in die freiberufliche Tätigkeit beim AMC war eine Bauchentscheidung, die ich nie bereut habe. Als erstes Projekt erinnere ich mich, die Markt- und Produktpositionierung von Versicherern im AMC untersucht zu haben. Das ist auch heute noch ein spannendes Thema. Genauso wie viele andere Themen rund um Marketing und Vertrieb, die inhaltlich gleichgeblieben sind, für die sich durch die technologischen Entwicklungen jedoch ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Ich habe schnell festgestellt, dass die Assekuranz überzeugt ist, eine ganz besondere Branche zu sein. Damals wurde nicht von Kunden gesprochen, sondern von „Risiken“, Erfolg wurde über Versicherungssummen, also die versicherten Leistungen definiert, und nicht über Beitragseinnahmen. Dies hat sich mittlerweile teilweise geändert – der Digitalisierung und der damit einhergehenden Kundenorientierung zum Dank. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass die Assekuranz nach wie vor einen sehr isolierten Blick von sich hat. Wir versuchen, hier neue Horizonte auch durch einen branchenübergreifenden Dialog zu eröffnen.
Raake: Wir haben hier mehrmals im Jahr neue, faszinierende Themen, die auf den ersten Blick wenig mit Versicherungen zu haben. Wir versuchen, diese Themen für die Branche aufzubereiten und in Veranstaltungen und Studien weiterzugeben. Denken Sie aktuell nur an die Chancen des eSports, die das Versicherungsmarketing gerade erst entdeckt. Im März haben wir dazu den ersten Kongress in Deutschland organisiert.
Wo sehen Sie aktuell die größten Baustellen bei den Versicherern?
Raake: Vom Kunden denken gelingt der Branche nicht beziehungsweise nur in Einzelfällen. Produkt und Sparte statt echter Lösungen stehen immer noch im Vordergrund. Aussagen wie „Wir sind ein Lebensversicherer und verkaufen Lebensversicherungen, das müssen wir dem Kunden rüberbringen“, hört man immer noch – das reicht nicht mehr. Klar, alle arbeiten an diesen Themen, aber solange es noch produktbezogene Vertriebsziele gibt, ist echte Kundenzentrierung schwierig umzusetzen.
Kersten: Die Versicherer müssen zudem in der IT und Betriebsorganisation aufräumen. Die Bewältigung von Altlasten ist noch immer eine riesige Aufgabe. Versuchen Sie das mal Start-ups und innovativen Vertriebspartnern zu erklären, die verstehen das nicht und wollen schnelle Anbindungen an Prozesse, die funktionieren. Viele Versicherungen wollen hier immer noch alles selber machen, und das kann meiner Ansicht nach gefährlich bis hin zu existenzbedrohend werden. Denn der Wettbewerb wartet nicht, bis jeder seine Hausaufgaben erledigt hat. Und neue Marktteilnehmer wie Insurtechs oder Anbieter digitaler Ökosysteme wie Amazon oder Facebook können schnell ernstzunehmende Wettbewerber werden, sollten sie sich entschließen, in den Markt einzusteigen.
Raake: Es wird eine weitere Konzentration im Vermittlermarkt geben. Die Digitalthemen überfordern viele Vermittler. Aktuell sind zu viele Vermittler mit zu wenig Digital-Know-how unterwegs. Bei einem Altersdurchschnitt bei den Vermittlern von 50plus ist das nicht überraschend. Zumal es ja häufig auch noch so geht. Wer verkaufen kann, dem reicht ein Blatt Papier – noch.
Und welche Lösungen sehen Sie?
Kersten: Kurz gesagt – mehr „Buy“ statt „Make“. Also die engere Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern, geringere Fertigungstiefe, stärkerer Austausch, gemeinsame Entwicklung von Lösungen, vom Kunden denken. Ich weiß, das ist alles leichter gesagt als getan. Aber zwingend notwendig. Wir unterstützen die Versicherer dabei – gemeinsam mit unseren Netzwerkpartnern: Das ist eine der wichtigsten Aufgaben des AMC.
Das vollständige Interview finden Sie auf Pfefferminzia.de