Neuromarketing für Versicherungen: Erfolgsstrategien für das Online-Marketing

18.08.2015

Fast alle (Kauf-)Entscheidungen sind emotional geprägt und weit weniger rational als wir glauben. Unser Gehirn läuft zu 95 Prozent im Autopiloten und nimmt immensen Einfluss auf die Kaufentscheidung. Neuromarketing-Ansätze werden für das Online-Marketing immer wichtiger. Der AMC-Thementag Neuromarketing für Versicherungen liefert Grundlagen, Vorgehensweisen, Erfolgsstrategien und Praxisbeispiele. Ein Interview mit Neuromarketing-Experte Ingo Gregus. Rund 95 Prozent unserer Entscheidungen treffen wir unbewusst. Für Marketing-Verantwortliche heißt dass, Kaufmotive und Käufertypen unter dieser Prämisse optimal zu bedienen. Für die Website bedeutet dies, sie auf Basis menschlicher Wahrnehmung zu gestalten. Dabei sollte auch die gute Laune der Nutzer nicht zu kurz kommen. Zudem sehnen sich Menschen nach guten Geschichten - es liegt also auf der Hand, Geschichten für den Verkauf zu nutzen. Der AMC-Thementag „Neuromarketing für Versicherungen" am 29.09.2015 (www.amc-forum.de/?webcode=1582) beleuchtet die Grundlagen des Neuromarketings, explizit Neuromarketing in der Online-Kommunikation und bietet zudem einen Live-Test zur Emotionsmessung der Teilnehmer. Der Thementag wird gemeinsam mit der Kölner Agentur .dotkomm durchgeführt. Als Vorreiter betreibt .dotkomm Neuromarketing-Forschungen, um Erkenntnisse für eine gehirngerechte Ansprache im E-Commerce zu gewinnen. Eine für die ERGO Versicherungsgruppe durchgeführte Studie zeigte: Produkte und Dienstleistungen werden online dann besser verkauft, wenn sie Emotionen hervorrufen. Man spricht vom Emotional Shopping. Was bedeutet das für das Online-Marketing? Der AMC sprach mit .dotkomm-Geschäftsführer Ingo Gregus. Er ist Spezialist für neuromarketingbasierte Beratung. AMC: Herr Gregus, wie werden Kunden heute und in Zukunft einkaufen?
Ingo Gregus: Ganz einfach: so wie die Kunden das möchten. Mobil. Am Tablet. Im Geschäft mit dem Smartphone in der Hand. Die Kunden sind bereits multioptional. Das heißt auf der einen Seite lassen Sie sich auf reales Erlebnis-Shopping ein und beraten, gleichzeitig kaufen sie one-click-artig bei Amazon und Co. und buchen die Hotels last minute online. Das Shoppen und das Bezahlen werden in Zukunft aber noch deutlich einfacher werden. Ein Beispiel: Ich bin über Facebook, Amazon oder einen anderen Anbieter Adressat für gezielte Kommunikation aufgrund meines Profils und meines Verhaltens. Damit meine ich nicht Re-Targeting, das mir Werbung auch nach dem Kauf ständig auf meine Seiten spielt. Ich spreche von moderner Personalisierung, die weiß, wann ich was möchte. Die weiß, wie ich mich heute fühle, und was ich brauche. Wenn der Status einer shopping-affinen Frau „Ein herrlicher Frühlingstag“ lautet, würde eine passende Produktantwort „Mit den Farben des Frühlings bezaubern“ auf das passenden Kleid in der passenden Größe abzielen. Bestellung mit einem Klick. Lieferung am selben Tag – passend zu Stimmung. Wenn ich FC-Köln-Fan bin, eine hochwertige Dauerkarte habe und in einem Hotel in München gastiere, bekomme ich bei Betreten des Zimmers per NFC auf mein Smartphone die Info, dass das FC Köln Hospitality Package für die Allianz Arena für mich bereitsteht. Ein Klick. Fertig. Der Taxifahrer meldet sich über myTaxi rechtzeitig. Der Concierge bringt noch einen Fan-Schal beider Mannschaften vorbei. Auch vom realen Point of Sale können Online-Handel und Versicherung noch jede Menge lernen: Emotionen vermitteln, das Bauchgefühl ansprechen, Kunden aktivieren und daher in Kauflaune versetzen. Den richtigen Zeitpunkt für Kommunikation treffen und die richtige Botschaft senden. Das wird die Herausforderung für die Branche. Es geht darum, auf Augenhöhe mit dem Kunden zu gelangen. AMC: Wie wird sich das Online-Marketing aus Neuromarketing-Sicht verändern?
Ingo Gregus: Marketing und Vertrieb verschmelzen zunehmend. Das macht aus meiner Sicht auch Sinn. Die Herausforderung für Produktanbieter ist, sich darauf zu konzentrieren, was die Motive der Kunden sind. Herauszufinden, was der Kunde im Moment des Besuchs und aufgrund seines Profils sagt und will. Die Multioptionalität muss erkannt und durch Prozesse, Produkte, Bilder, Texte und Videos angesprochen werden. Der Conversion-Teufel steckt dabei nicht nur in einer entsprechenden Strategie und Infrastruktur, sondern konkret im Detail. Ein Beispiel: Sie können in einem Kreditprozess über ein Formularfeld schreiben „Ihre Bankverbindung“. Das suggeriert dem Kunden, dass sein Geld abgebucht wird. Schreiben Sie darüber „Wohin dürfen wir ihr Geld überweisen?“ sind die gleichen Felder positiv aufgeladen. Generell gilt: Je komplexer der Prozess und je geringer das Involvement zu einem Produkt, desto mehr muss ich den Kunden motivieren, bei der Stange zu bleiben. Hier können wir von einem guten Berater lernen. Er schafft es, dass ein Kunde seine Kaufentscheidung sehr früh trifft – dann kommt der Papierkram. Online sieht das heute ganz anders aus: Der Kunde quält sich durch einen technisch getriebenen Prozess und bestätigt dann auf der letzten Seite, dass er das Produkt auch wirklich will. Hier haben wir ein enormes Potenzial, Prozesse zu emotionalisieren. Neuromarketing bedeutet auch, die Dinge auf den Punkt zu bringen und zu vereinfachen. In einer immer komplexer werdenden Welt, ist das ein konkretes Kundenbedürfnis. AMC: Wie nutzen Versicherer derzeit ihr Online-Potential aus Neuromarketing-Sicht aus?
Ingo Gregus: Wichtig: Neuromarketing, User Experience und zahlenbasiertes Optimieren gehen idealerweise Hand in Hand. Gemessen wird derzeit vieles. Es wird an den kleinsten Rädchen geschraubt, um den Grünton im Hintergrund ein wenig gelber zu machen, damit die Conversion um 0,001 Prozent steigt. Dabei heißt das Feld im Prozess aber leider weiterhin „Überschusssystem in Prozent“. Hier hilft Grün und Gelb nicht weiter. Verständlichkeit und Klarheit müssen her. Wir haben gemeinsam mit ERGO für die private Haftpflichtversicherung eine Erlebnis-Strecke entwickelt. Hoch emotional, leicht in der Anmutung und positiv in der Wirkung. Die Klickraten zeigen deutlich, dass auch Versicherungen emotional sein können. Hier geht es in erster Linie um Bedarfsweckung und -erkennung. Auch der Abschlussprozess bleibt emotional und positiv. Denn wer hat eigentlich gesagt, dass ein Abschlussprozess langweilig und rein technisch sein muss? Es geht auch anders: Der Kunde wird belohnt und mit transparenten Vorteilen im Prozess unterstützt. Und auf einmal ist das Versicherungsprodukt gar nicht mehr langweilig, sondern beinahe haptisch. Eine tolle Erfahrung für den Kunden und die Versicherung. Dieser Prozess dient ERGO nun als Blaupause für weitere Erlebnis-Strecken inkl. Online-Abschluss. Auch die Bayerische, Nürnberger, HDI und weitere Versicherungen setzen punktuell auf den positiven Effekt von Neuromarketing. Hier sehen wir ein großes Potenzial, die Conversion in Prozesse und die Bindung der Kunden deutlich zu erhöhen, Geschichten zu erzählen und sich beim Kunden im Relevant Set zu verankern. Der AMC-Thementag Neuromarketing für Versicherungen findet am 29.09.2015 in Düsseldorf statt. Mehr dazu auf der AMC-Website: www.amc-forum.de/?webcode=1582 Ingo Gregus ist Diplom-Kaufmann, Gründer und Geschäftsführer der .dotkomm rich media solutions GmbH. Der ehemalige Vorstand der Framfab Deutschland AG ist Spezialist für neuromarketing-basierte Beratung und Konzeption mit mehr als 15 Jahren Beratungs- und Projektpraxis. Bei .dotkomm verantwortet er die Umsetzung vielfältiger Kundenprojekte aktuell u.a. für AXA, ERGO, Nürnberger, SIGNAL IDUNA und VPV.