Wie verständlich sind die Produktinformationsblätter der Versicherer?

23.01.2014

Oliver Haug von Communication Lab im Interview: Viele Produkte und Dienstleistungen sind schwer verständlich – auch Produktinformationsblätter der Versicherer sind da keine Ausnahme. Kunden wollen jedoch verstehen, was sie kaufen. Die aktuelle Studie von AMC und Communication Lab stellt die Kommunikation von Versicherern erneut auf den Prüfstand. Untersucht und bewertet wurden in der zweiten Studienauflage die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Produktinformationsblätter, Marketingunterlagen und FAQs von insgesamt 44 deutschen Versicherern. Communication Lab setzt eine spezielle Software (TextLab) ein, um die Verständlichkeit der Texte objektiv und nach wissenschaftlichen Methoden zu messen. Eine wichtige Erkenntnis vorweg: Die PIB der Versicherer haben im Vergleich zur 1. Auflage 2012 etwas an Verständlichkeit gewonnen. Laut Oliver Haug, Geschäftsführer von Communication Lab, liegt die Vermutung nahe, dass viele Projekte zur Vereinfachung der Sprache in der Versicherungswirtschaft langsam zum Tragen kommen. Obwohl etliche Versicherer große Anstrengungen unternehmen, um die Kundenfreundlichkeit ihrer Kommunikation zu erhöhen, ist die Sprache der meisten PIB für Laien immer noch schwer verständlich. Communication Lab hat sich als Institut für Verständlichkeit auf die Analyse und Optimierung von Kommunikation spezialisiert. Im Interview empfiehlt Oliver Haug Versicherern, das Ziel der Verständlichkeit weiterhin zu verfolgen. Herr Haug, wie verständlich sind die PIBs von Versicherern denn nun?
Oliver Haug: „Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Die Ergebnisse unserer aktuellen Studie zeigen: Die Qualitätsunterschiede bei der formalen Verständlichkeit von PIB variieren zum Teil sehr stark. Insgesamt kann man sagen: je einfacher ein Produkt, desto verständlicher die Produktinformation. Tendenziell schneiden PIB aus dem Bereich „Hab & Gut“ bei der Verständlichkeit besser ab, als PIB aus den Bereichen „Vorsorge & Rente“ oder „Gesundheit & Pflege“. Dennoch kann man nicht pauschal sagen, dass mit weniger komplexen Versicherungsprodukten auch immer leicht verständliche PIB einhergehen. In allen Sparten gibt es etliche Dokumente mit viel Luft nach oben." Welche Versicherer machen ihre Sache bereits gut?
Oliver Haug: „Sachversicherungs-PIB erreichen insgesamt betrachtet die besten Ergebnisse in unserer Studie. Sehr gute Werte erreichen die PIB von ERGO, HUK Coburg und Provinzial Rheinland. Aber auch die Ergebnisse von HUK24, ARAG, Signal Iduna, Volkswohlbund und LVM können sich sehen lassen. In den anderen Sparten erreicht kein PIB die Mindestwerte, um als verständlich eingestuft zu werden." Wie sollte ein gutes PIB aussehen, damit es leicht verständlich ist?
Oliver Haug: „Wichtig für verständliche PIB sind vor allem eine klare und übersichtliche Struktur mit kurzen und einfachen Sätzen. Versicherer sollten auf zusammengesetzte Wörter, unnötige Passivsätze und Nominalstil möglichst verzichten. Notwenige Fachbegriffe sollten erklärt werden. Eine direkte Ansprache der Kunden trägt ebenfalls zur Verständlichkeit bei." ? Woran liegt es, dass immer noch viele PIB schwer verständlich sind?
Oliver Haug: „Es fehlen branchenweite und verbindliche Standards für PIB, die für eine gute Qualität sorgen könnten. Aktuell wissen viele Unternehmen nur, dass ein PIB nicht mehr als 2 DIN-A4 Seiten umfassen sollte. Standards sollten Empfehlungen zum Inhalt, zum Aufbau und zur Gliederung, aber auch Hilfestellung für ein einheitliches Wording bieten. Anregungen, wie das funktionieren kann, gibt es in anderen Branchen: Seit 2005 gelten beispielsweise EU-weit einheitliche und verbindliche Vorgaben für medizinische Beipackzettel. Sind diese nicht erfüllt, kommt das Produkt nicht auf den Markt. Und erst letztes Jahr hat die Deutsche Kreditwirtschaft ein allgemeingültiges Fachbegriff-Glossar für PIB von Finanzprodukten veröffentlicht. Damit haben Banken und Finanzinstitute die Chance komplexe Begriffe mit einfacheren Synonymen zu ersetzen oder zu erklären – ohne die fachliche Richtigkeit oder die Rechtssicherheit zu gefährden." Was sind die häufigsten Verständlichkeitshürden bei PIB?
Oliver Haug: „Neben den formalen Sprachkriterien, die ich vorhin schon erwähnt habe – also lange Sätze, komplexe Wörter, Fachbegriffe etc. – gibt es auch eine Reihe weiterer Faktoren, die die Verständlichkeit von PIB beeinflussen. Dazu gehören etwa prozessuale Faktoren, wie beispielsweise der Entstehungszyklus eines PIB: bis ein PIB freigegeben ist, geht das Dokument oft durch viele Abteilungen und noch mehr Hände. Und wie das dann eben so ist mit dem Brei und den vielen Köchen… Das liegt nicht zuletzt an der Komplexität von Versicherungsprodukten. Damit zusammen hängt dann auch die Herausforderungen der Experten-Laien-Kommunikation. Womit wir dann auch wieder bei der Sprache wären." Herr Haug, was ist Ihr Fazit?
Oliver Haug: „Vor allem gilt: Es gibt noch viel zu tun, bis wir in der Versicherungsbranche von verständlichen und verbraucherfreundlichen PIB sprechen können. Und dieses Ziel sollte keinesfalls aus den Augen verloren werden, denn PIB haben genau diese Aufgabe: Verbraucher verständlich und transparent über die Eigenschaften, Kosten sowie Chancen und Risiken von Versicherungsprodukten zu informieren." Die Studie wurde mit der Sprach-Software TextLab durchgeführt. Grundlage der Bewertung der Verständlichkeit war der von der Universität Hohenheim entwickelten Hohenheimer Verständlichkeits-Index. Die Studie ist für 790,- € zzgl. 19% MwSt. über schubert@amc-forum.de erhältlich. Die AMC Finanzmarkt GmbH betreut über 100 Partnerunternehmen im AMC-Netzwerk und bietet Beratung, Arbeitskreise, Workshops, Tagungen, Studien und Seminare für Finanzdienstleister an. Communication Lab entwickelt als Institut für Verständlichkeit Lösungen für die Kommunikation von Unternehmen, Verwaltungen, Behörden und Universitäten. Kontakt: AMC Finanzmarkt GmbH, Désirée Schubert, schubert@amc-forum.de, 0221 / 3985973. Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung. Fachbeiträge senden wir auf Anfrage gerne zu.